Vergesellschaftung



Vorweg: Meerschweinchen haben eine Rangordnung. Sie wird meist gleich zu Anfang (ca. die ersten 3-7 Tage) bei einer Vergesellschaftung geklärt und bleibt dann auch oftmals in dieser Konstellation bestehen. Danach verläuft so ein Rudelleben meist recht friedlich. Natürlich gibt es bei Böcken noch die sogenannten "Rappelphasen", währenddessen ein Bock sich beweisen möchte. Da kann es dann nochmalig zu kleineren oder auch größeren Kämpfen kommen. Meist kann sich der "Rudelführer" jedoch behaupten und schon allein durch seine Autorität den kleinen Gernegroß in seine Schranken verweisen. Auch bei weiblichen Tieren wurden schon solche "Rappelphasen" beobachtet. Kein Tier ist wie das andere und es kann immer wieder Ausnahmen geben. Manche Tiere vertragen sich auf Anhieb, manche ihr Leben lang nicht. Besonders bei älteren Tieren kann es schwierig sein.

Zu beachten ist, dass die Rangordnung bei jeder Änderung in der Gruppe wieder neu ausgefochten wird - egal, ob man ein Tier dazu setzt oder eines aus der Gruppe entfernt wird oder stirbt.


Folgende Vergesellschaftungs-Regeln sollten unbedingt beachtet werden:
  • auf neutralem Boden vergesellschaften
  • nicht in Rangstreitigkeiten einmischen!
  • alten Käfig/Gehege mit Essigwasser auswischen (Geruchsneutralisierung)
  • pro Tier sollten mind. 0,5 m² Fläche vorhanden sein
  • genug Futter- und Trinkplätze einrichten
  • am besten KEINE Häuser (darum gibt es am häufigsten Streit) - wenn doch, dann müssen diese immer ZWEI Ausgänge haben, damit ein Tier nicht von einem anderen in die Ecke gedrängt bzw. "eingesperrt" werden kann
  • besser: viele Unterschlupfmöglichkeiten (Weidenbrücken, Bretter, Tücher und/oder Hängematten)
  • ein großer Heuberg lenkt ab und dient - vorerst - als Sichtschutz

Gerade für Anfänger bzw. Leute mit weniger starken Nerven ist immer besser, wenn man ein Jungtier zu einem älteren Tier setzt. Bei Böcken ist es fast ein MUSS. Ältere Böcke (ab ca. 6 Wochen) kann man nur selten und meist recht schwer miteinander vergesellschaften. Je älter die Tiere sind, umso schwieriger ist eine dauerhafte Vergesellschaftung. Das sollte von einem Anfänger in Bezug auf Bockhaltung besser gar nicht erst versucht werden.

Bei Weibchengruppen ist das Alter nicht ganz so wichtig. Dennoch sollte man auf jeden Fall die unterschiedlichen Charaktere beachten. Es kann auch hier zu heftigem Zickenalarm mit Beißereien kommen.
Ruhe kehrt meist ein, wenn man einen Kastraten in eine zickige Weibergruppe setzt. Dieser sollte aber schon über eine gewisse Dominanz verfügen, da er ansonsten von den Weibchen ebenfalls gejagt und unterdrückt werden kann.


Es ist übrigens oftmals so, dass das ältere Tier der Boss ist und das Babyschweinchen sich unterordnet - zuerst einmal. Das kann sich mit der Geschlechtsreife ändern. Dann kommt es meistens noch einmal zu Rangstreitigkeiten.

Wenn man mehrere Tiere vergesellschaften möchte, sollte man niemals einfach das neue Tier in den Käfig des älteren Tieres setzen. Verständlich, denn man selber möchte ja auch nicht, dass auf einmal jemand in der Wohnung steht, der dann dort mit wohnen möchte.

Am Besten ist es, wenn man die Vergesellschaftung auf neutralem Boden durchführt. (Dies empfiehlt sich besonders für unerfahrenere Halter.)

Gibt es keine andere Möglichkeit, kann man sonst auch den Käfig gründlich reinigen (mit Essigwasser) und neu einstreuen. Danach erst das neue Tier hineinsetzen und dann das alte Tier dazu. Wenn man mehr als drei Tiere vergesellschaften möchte, sollte man davon aber absehen. Der Platz reicht einfach nicht aus.

Noch etwas Wichtiges: Legen Sie sich 'bissfeste' Leder-/Arbeitshandschuhe bereit. Greifen Sie niemals mit bloßen Händen zwischen streitende Tiere, denn diese würden die Hände als Feind ansehen und genauso zubeißen, wie in ein anderes Tier. Meerschweinchenzähne können auch einer Hand schlimme Wunden zufügen.


Am besten ist immer noch ein Freilauf mit viel Platz und einem großen Heuhaufen in der Mitte.
Ich selber habe - bis auf Futter - erstmal nichts dazu gestellt. Dadurch konnte es nicht zum Streit um irgendwelche Häuser oder sonst etwas kommen. Da etwas Fressbares meist wichtiger ist, als alles andere, dient es auch wunderbar dazu, die Aufregung um den Neuling ein wenig zu lindern. Wenn man mit Fressen abgelenkt ist, hat man weniger Zeit sich um das unbekannte Wesen zu kümmern

Erst wenn etwas Ruhe eingekehrt war, habe ich nach und nach das Gehege eingerichtet. Man sollte auch die nächsten Stunden in der Nähe bleiben, um eventuell eingreifen zu können, falls die Streitigkeiten doch wieder aufflammen und eskalieren.

Häuser sollten in den ersten Stunden noch nicht in den Käfig gestellt werden. Besser sind Hängematten oder ein nach vorne offener Unterstand (Holzbrett).

Wird ein Tier ausdauernd gejagd und/oder nimmt es extrem ab, dann sollte die Vergesellschaftung abgebrochen werden. Ein Tier kann auch an Vergesellschaftungsstress sterben. Mehr als drei Tage sollte man sich das also nicht ansehen. Fließt Blut (keine Kratzer, sondern mehr), dann ist es ebenfalls Zeit für einen Abbruch.

Finden nach 3-4 Tagen keine Kämpfe mehr statt, kann man nach einem zusätzlichen Ruhetag die Gruppe ins Gehege bzw. den Käfig setzen. Es wird sicher noch immer mal wieder zu kleineren Zickereien kommen, aber die Unruhe sollte sich dann mit der Zeit legen.

Sollte nach spätestens 14 Tagen noch immer keine Ruhe eingekehrt sein, ist es besser, die Vergesellschaftung abzubrechen. Manche Tiere passen vom Charakter her einfach nicht zusammen, aber das ist bei Menschen ja nicht anders, nicht wahr?

Vergesellschaftet man ein Tier in eine Gruppe, kann es sein, dass es sich zuerst nach sehr kurzer Zeit scheinbar unterordnet. Besonders erfahrene/ältere Tiere verhalten sich am Anfang oft sehr zurückhaltend. Sie kundschaften gewissermaßen die Gruppe aus, versuchen, die Rangordnung zu erkennen. Nach Wochen kommt es dann auf einmal vor, dass das anfangs so ruhige Tier anfängt, sich in der Rangordnung 'nach oben' zu kämpfen. Da können die Rangstreitigkeiten nochmal richtig heftig aufflammen. Aber auch das sollte binnen 3 weiterer Tage geklärt sein.

Eine Vergesellschaftung dauert ca. 6 Wochen.
So kann es auch nach dieser Zeit passieren, dass die Tiere, die sich scheinbar gut zusammengefügt haben, sich auf einmal wieder bekämpfen.
Manche Tiere verstehen sich sofort gut miteinander, manche brauchen eine Zeit, manche werden sich nie verstehen. Man muss einfach beobachten und im schlimmsten Fall dann für immer trennen.


Bei einer Vergesellschaftung kann es manchmal recht heftig zugehen. Eine erfahrene Meerschweinhalterin schrieb mal: "Am Besten ist es, Sie schließen die Tür und fahren ein paar Tage in den Urlaub."
Das ist zwar nicht ernst gemeint, trifft es aber eigentlich ganz gut. Teilweise kann es sehr laut werden und die Streu fliegt durch die Gegend (meist liegt nach kurzer Zeit mehr davon außer- als innerhalb des Käfigs).

Tierhalter sollten sich möglichst schnell von ihrem eigenen Harmoniedenken 'verabschieden'. Tiere haben ihre eigenen Lebens-Regeln. Wenn man sie kennt und beachtet, ist es für beide Seiten leichter.


Streu fliegt Hier kann man gut sehen, was bei Leos "Schnellstart" passiert

Ganz wichtig ist: niemals eingreifen! Die Tiere regeln das unter sich. Es sieht auch meist viel schlimmer aus, als es ist. Nur wenn die Tiere sich ineinander verbeißen oder Blut fließt sollte man sie trennen. Das sollte man dann aber niemals mit der bloßen Hand machen, weil die Tiere so im "Rausch" sind, dass sie auch ihren Futtergeber nicht erkennen und dann mal herzhaft zubeißen können. Am Besten geeignet sind ein Stück stabile Pappe oder ein Handfeger, die man zwischen die Kontrahenten schiebt.

Ansonsten lässt man die Tiere ihre Rangstreitigkeiten selbst klären. Ich habe es so gehalten, dass ich in den größeren Ruhepausen nachgesehen habe, ob die Tiere Verletzungen haben, die behandelt werden müssen. Danach wurden sie wieder an den Platz gesetzt, wo ich sie herausgenommen habe. Kleine blutige Verletzungen oder ein eingerissenes Ohr sind nicht allzu tragisch und kommen vor allem vor, wenn sich Böcke in der Rappelphase streiten.

Jedes Eingreifen des Menschen in diese Rangordnungskämpfe macht alles nur noch schlimmer. Trennt man z. B. Tiere, die sich bekämpfen ständig, um sie dann doch wieder zusammen zu setzen, bedeutet das enormen Stress für die kleinen Fellmonster. Sie machen nämlich bei der nächsten Begegnung nicht an der Stelle weiter, wo sie aufgehört haben, sondern beginnen ihre Rangstreitigkeiten immer wieder von vorne!
Man sollte die Tiere also nur dann trennen, wenn man beabsichtigt, dies dauerhaft beizubehalten. Alles andere wäre sinn- und zwecklos.




Eine Vergesellschaftung von 6 Böcken:
Lester (schwarz-weisse Rosette) versucht die anderen zu unterwerfen.
Video (Divx / ca. 25,2 MB)


Eine Vergesellschaftung von 1 Kastraten mit 3 Weibchen:
Ginny (creme-weisses US-Teddy-Mädel) versucht sich gegen den Kastraten aufzulehnen.
Video (Divx / ca. 17,2 MB)


Hier sind noch mehr mit Fotos und Videos dokumentierte Berichte von Vergesellschaftungen:




© Heike Appelhagen (08.11.2007)
Update: 28.03.2010





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